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Befragung von 200 Unternehmen zur Gewährleistung: Ärgernis BeweislastumkehrBei vielen Händlern endet der zweijährige Käuferschutz faktisch nach sechs Monaten

10.03.2021 – 10:15

Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.

Befragung von 200 Unternehmen zur Gewährleistung: Ärgernis Beweislastumkehr
Bei vielen Händlern endet der zweijährige Käuferschutz faktisch nach sechs Monaten


















Düsseldorf (ots)

Grundsätzlich sind Käufer laut Gesetz beim Erwerb fehlerhafter Neuwaren zwei Jahre lang geschützt. Doch Obacht. Der Schutz kann faktisch schon nach sechs Monaten enden, wenn Händler die juristisch erlaubte Karte „Beweislastumkehr“ ausspielen. Dann stehen Kunden in der Nachweispflicht, dass der Fehler bereits beim Kauf vorhanden war – was kaum zu schaffen ist. Die Verbraucherzentrale NRW befragte 200 Unternehmen, ob sie mit diesem „Schwarzen Peter“ arbeiten und ob sie Kunden vorab darüber informieren. Die Antworten belegen Wirrwarr und Willkür.

Schon acht Monate nach Kauf zeigte das 55-Zoll-TV nur noch ein verschwommenes Bild. Ein Ärgernis, das im Kaufrecht unter die Rubrik „Gewährleistung“ fällt.

Zuständig ist dafür allein der Verkäufer. Er darf natürlich abwinken, wenn das Gerät „unsachgemäß behandelt“ wurde oder wenn der Schaden Verschleißteile betrifft.

Zwei mögliche Lösungen sind laut Gesetz für das Bild-Problem im ersten Schritt vorgesehen: Reparatur oder Umtausch gegen ein fehlerfreies Gerät. Nur wenn diese sogenannte Nacherfüllung erfolglos bleibt, kann die Rückzahlung des Kaufpreises verlangt werden.

Doch viele Kunden werden bei einem solchen TV-Ausfall mit einer vierten Möglichkeit konfrontiert: dem Blick in die Röhre. Denn obwohl sich Käufer von Neuware auf eine zweijährige Gewährleistung berufen dürfen, kann bereits nach sechs Monaten der Schutz faktisch enden: wenn Händler die Karte „Beweislastumkehr“ zücken.

Für Verbraucher ist das der „Schwarze Peter“. Denn während in den ersten sechs Monaten generell davon ausgegangen wird, dass ein Fehler schon bei Erhalt der Ware vorhanden war, müssen sie dann ab dem siebten Monat nachweisen, dass der Fehler von Anfang an da war. Das scheitert in der Regel, weil es dazu im Streitfall teure Gutachten braucht. Schlimmer noch: Gelingt der Nachweis nicht, können die Kosten für die Expertise auf die Kundschaft gehen.

Doch es gibt auch eine gute Nachricht. Händler können die Karte spielen, sie müssen es aber nicht. Und viele tun es auch nicht. In diesem Fall sind Kunden wirklich zwei Jahre lang vor Mängeln geschützt. Das kann und sollte durchaus auch ein wichtiges Argument für eine Kaufentscheidung sein.

Die Frage ist nur: Informieren Unternehmen vor dem Kauf über ihren Umgang mit der Beweislastumkehr? Das wollte die Verbraucherzentrale NRW von rund 200 Unternehmen wissen. Offenbar ein heikles Thema, denn gerade mal jedes dritte füllte den Fragebogen aus.

22 machten das auf irritierende Art. Einige verloren sich in nichtssagenden Kulanz-Beteuerungen. Andere verwiesen auf freiwillige Garantieversprechen der Hersteller, statt auf die eigene gesetzliche Pflicht zur Gewährleistung einzugehen.

Wieder andere erklärten, sie reichten Reklamationen einfach an den jeweiligen Hersteller weiter und stellten es in dessen Ermessen, ob Kunden ihre Gewährleistungsansprüche einlösen können. Mitunter wurde auch ein stringentes Vorgehen bei Reklamationen abgestritten. Jede Beschwerde würde als „konkreter Einzelfall“ behandelt.

Erfreulich dagegen: Immerhin 48 Probanden gingen auf die Fragen der Verbraucherzentrale ein, darunter viele große Unternehmen. Und zwei Drittel (32) beteuerten, auf die Beweislastumkehr zu verzichten.

Besonders großzügig gab sich der Herstellershop von Jack Wolfskin. Der sah für Käufer mit Kundenkarte sogar „eine dreijährige Gewährleistung“ vor. Überhaupt fiel diese Shopsparte positiv auf. Weitere zehn von 13 Herstellershops im Verbraucherzentralen-Check beließen es bei den gesetzlich vorgesehenen zwei Jahren – ohne Beweise zu fordern. Ebenso hielten es auch diverse Branchenschwergewichte: darunter Amazon, Aldi-Nord und Lidl, H&M, Rossmann und Tchibo.

Doch es gab auch Merkwürdigkeiten: Unterschiede je nach Warengruppe machte nach eigenen Angaben der Umweltversand Waschbär. Bei Elektroartikeln brauche es auch nach sechs Monaten keinen Beweis, bei Textilien hingegen seien „im Normalfall“ Fotos zum Artikelzustand vorzulegen.

Kurios wickelte der Shoppingsender QVC Reklamationen ab. Für „hochwertige Artikel (> 500 Euro)“ gelte „aus Kulanz eine Gewährleistung ohne Verschuldensnachweis innerhalb von 12 Monaten“. Wer Artikel für bis zu 500 Euro kauft, müsse sich dagegen einer „Einzelfallentscheidung“ stellen.

Das ist zumindest etwas besser für Kunden als direkt nach sechs Monaten den Reklamations-Stopp „Beweislastumkehr“ gezeigt zu bekommen. Zu diesem drastischen Vorgehen bekannten sich insgesamt 16 Shops in der Umfrage. Dazu gehörten sechs Händler der Otto-Group (neben Otto etwa Baur, Bonprix, Manufactum) sowie die Elektronikriesen Saturn und Mediamarkt. Dazu zählten etwa Ikea und der Haushaltswarenspezialist WMF sowie der Shop von Adidas.

Das doppelt Ärgerliche: Erfahren können das Kunden kaum. Nicht mal, wenn sie sich die Mühe machen, ins Kleingedruckte zu schauen. Dort treffen sie in der Regel auf lapidare Sätze wie: „Für Verbraucher gilt die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren ab Übergabe der Ware.“ (Saturn).

Das böse Wort „Beweislastumkehr“ suchten die Verbraucherschützer vergebens auf den Shopseiten der Unternehmen.

Pressekontakt:

Georg Tryba
Tel. (0211) 38 09-101
presse@verbraucherzentrale.nrw

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